Anstreichungen in David McLellan: DIE JUNGHEGELIANER UND KARL MARX
David McLellan:
Die Junghegelianer und Karl Marx
dtv. Wissenschaftliche Reihe, 1974
Laska hebt die ganze Ambivalenz McLellans gegenüber Stirner hervor:
McLellan spricht von der „Tatsache, daß [Stirners] Buch weitgehend ein Produkt seiner Zeit war und heute kaum mehr von Interesse ist“ (S. 151)!
„Stirners Buch liest sich nicht leicht, da ihm der geradlinige Aufbau fehlt und es oft nur aus zusammengetragenen Notizen ohne inneren Zusammenhang zu bestehen scheint“ (S. 138). Doch: „Der dialektische, dreiteilige Aufbau des Buches ist ebenso hegelianisch wie der sorgfältige Gebrauch der Sprache…“ (S. 137). Aber: „Der Aufbau des Buches ist deutlich an Feuerbachs ‚Wesen des Christentums‘ orientiert“ (S. 139).
Einerseits wirkten die in Der Einzige und sein Eigentum vertretenen Ansichten „oft recht exzentrisch“ (S. 137), andererseits „ist ‚Der Einzige‘ doch ein ganz typisches Produkt der damaligen Zeit und der junghegelianischen Bewegung im besonderen“ (ebd.). Gleichzeitig war Stirner „der negativste unter allen Junghegelianern“ und er, so McLellan weiter, „zwang Marx dazu, über den ziemlich statischen Humanismus von Feuerbach hinauszugehen“ (S. 185).
Einerseits: „Stirner kann (…) als letzter Hegelianer gelten – der letzte deshalb, weil er der logischte war und nicht versuchte, das ‚konkrete Universelle‘ bei Hegel durch die ‚Menschheit‘ oder die ‚klassenlose Gesellschaft“ zu ersetzen (…)“ (S. 139). Andererseits ist für McLellan „Stirners Buch ein Konglomerat aus geläufigen Klischees seiner Zeit“ (S. 157).
Im Abschnitt über Feuerbach in Die deutsche Ideologie findet sich Marx‘ oft zitierte Schilderung der zukünftigen kommunistischen Gesellschaft – die, McLellan zufolge, eine Parodie auf Stirner sei (S. 152)! Laskas Kommentar: „Hiermit will McLellan wohl diese peinliche Marx-Stelle beiläufig verharmlosen“. Marx hatte geschrieben: „…während in der kommunistischen Gesellschaft, wo jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und nur eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je ein Jäger, Fischer oder Hirt oder Kritiker zu werden.“
Einerseits sei, so McLellan, ein direkter Einfluß Stirners auf die ökonomischen Vorstellungen von Marx „einigermaßen fraglich“, zumal Marx ökonomische „Pariser Manuskripte“ vor dem Erscheinen von Stirners Buch verfaßt wurden, andererseits wiederhole Marx in Die deutsche Ideologie die Thesen der „Pariser Manuskripte“ „nur beiläufig und geht vor allem auf den historischen Aspekt ein – auf den Ursprung der Entfremdung in der Arbeitsteilung“ (S. 153), also genau auf das, was er angeblich „parodiert“!
„Darüber hinaus ist“, so McLellan, „durchaus vorstellbar [von Laska unterstrichen], daß ‚Marx‘ fortwährende Angriffe auf alles was im sogenannten ‚wahren Sozialismus‘ mit ‚Moral‘ und ‚Liebe‘ zu tun zu haben schien, auf Stirners heftige Kritik aller derartigen Begriffe zurückzuführen ist“ (ebd.).
McLellan konstatiert, daß Stirner „Marx geradezu vorwegnimmt“, nämlich die „wichtigsten Bestandteile“ der Marxschen Mehrwerttheorie. Stirner schreibt in seinem Buch: „Unter dem Regime des Bürgertums fallen die Arbeitenden stets den Besitzenden, d.h. denen, welche irgendein Staatsgut ... zu ihrer Verfügung haben, besonders Geld und Gut, also den Kapitalisten in die Hände. Es kann der Arbeiter seine Arbeit nicht verwerten nach dem Maße des Wertes, welchen sie für den Genießenden hat ... Den größten Gewinn hat der Kapitalist davon“ (z.n. S. 157). Doch, so McLellan: „Ein unmittelbarer Einfluß Stirners auf Marx ist letztlich nur schwer zu belegen (…). Die hier zitierten Passagen beweisen jedoch, daß Gedanken wie die von der Entfremdung der Arbeit oder der Ausbeutung des Arbeiters damals selbst innerhalb Deutschlands keineswegs auf Marx beschränkt waren. Sowohl Stirner wie Marx standen vermutlich weitgehend unter dem Einfluß der Ideen von Fourier“ (S. 157).