Aus Laskas Email-Verkehr Anfang der 2000er Jahre: Über die Einsamkeit
BERND A. LASKA, aus dem LSR-Archiv
xyz: Überhaupt ist das eines der Hauptprobleme beim LSR-Projekt: die, wie allein schon der Begriff „LSR“ signalisiert, extreme Personenbezogenheit. Das soll keine Kritik sein, sondern „nur ein Gedanke“.
BAL: Ich hab ja nichts gegen Kritik (wenn sie „immanent“ ist ;-) Im Ernst: Ich bin froh, diese Personen erschnüffelt zu haben, will zu ihnen inhaltlich auch kaum mehr sagen als das in der „Trilogie“ „Die Negation des irrationalen Über-Ichs bei LM.../bei MS.../bei WR“, vielleicht nur noch einmal überarbeiten, präzisieren. Sonst ist nur deren Abwehr (durch DMF & Co) zu entblössen, sind die grossen Entzauberer zu entzaubern und, im Falle Reich, die Scheinrehabilitation durch Freudianer wie Fallend/Nitzschke als solche zu entlarven.
Stösst natürlich heute meist auf Achselzucken, auch bei den Reichianern. Aber – BEI MIR nicht, und deshalb mach ich's. LSR ist ja keine Philosophie, ist wirklich „daneben“, eben para-philosophisch. Die Zeit der Philosophie, da hatten die Junghegelianer recht, ist seit Hegel vorbei, auch wenn sie heute für Abertausende „job“ und lukrative Einkommensquelle ist.
xyz: Ja, es ist m.E. bemerkens-, darstellungs- und erklärenswert, dass aus all den Menschen, die einmal mit Reich in mehr oder weniger engem Kontakt gestanden oder mit ihm gearbeitet haben, grob gesagt – nix geworden ist,
BAL: Vielleicht sollte man die Schuld dafür nicht immer nur bei diesen Leuten suchen, sondern auch mal die Frage stellen, warum sich WR (zumindest in seiner Spätphase) immer nur mit solchen intellektuellen Schwächlingen (und allgemein: recht schwachen Persönlichkeiten) umgeben hat?! Theodore Wolfe scheint da eine der wenigen Ausnahmen zu sein, wenigstens so halbwegs.
xyz: Wie wir aus AMERICAN ODYSSEY wissen, kam Reich mit Wolfe „dem Nazi“ ganz und gar nicht klar.
BAL: Ergo: genau so wenig, wie irgendwelche führenden Wissenschaftler oder Intellektuellen jemals in nennenwertem Umfang auf WR zugegangen sind (ich denke, Ihr stimmt mir zu, dass auch DuTeil hier keine besonders grosse Leuchte war, oder?), ist WR selbst – in seiner späteren Phase – jemals seinerseits auf solche zugegangen (Einstein? Naja... War er der letztliche Grund für WRs diesbezüglichen Rückzug?).
Trotz aller „splendid isolation“ muss man das auch WR selbst anlasten. Selbst wenn die meisten zeitgenössischen Intellektuellen zugegebenermassen „zu mechanistisch“ waren – ein paar Gesprächspartner hätte es doch sicher auch für WR geben können. Aber er scheint ja noch nicht einmal mit der Ärzteschaft um Rangeley in irgendeinem Kontakt gestanden zu haben.
xyz: Den Kontakt mit Anarchisten, etc. Marke Paul Goodman hat er sich verbeten, andere Linksintellektuelle waren exakt Teil des gefährlichen Gegenverkehrs: „Gesellschaft“ statt „Biologie“ (Horney – mit der er sprach, Fromm, Marcuse, etc.pp.). Und die naturwissenschaftliche und medizinische Abteilung ebenfalls Gegenverkehr: exakt in den 40er und 50er Jahren war alles „überwunden“, woran Reich sich in den 30er Jahren angeschlossen hatte (z.B. Friedrich Kraus) und der Triumph der „Hormone, Gene und Atome“ begann.
Ausserdem kann man Reich unmöglich vorwerfen, dass er keinen Kontakt gesucht hat. Man betrachte etwa, was er in Tucson auf die Beine gestellt hat. Nur, „seine Leute“ waren Bauarbeiter, Bauern und Farmer – nicht der Intellektuellenabschaum New Yorks.
Und: Reich hat sich die Finger wundgeschrieben, um Leute zu kontakten.
By the way: gestern habe ich in einer alten Ausgabe der Zeitschrift EMOTION eine Stelle gefunden, wo „orgonotic contact“ doch allen Ernstes mit „Kontakt zur Orgonomie“ übersetzt wurde! Weniger Kontakt (zur Orgonomie) kann man gar nicht haben als diese degoutanten Vollidioten!
BAL: „Gesprächspartner“ hatte er ja ab und an: einige der Jung-PsA im Techn. Seminar, Hoel und die norw. Linken, Neill. Aber ziehen wir mal Bilanz!... Was ist aus denen geworden?
Sie sind ja nicht nur Reich nicht in seine einsame Orgonomie gefolgt, sondern sie sind ihren einstigen Idealen auch nicht treu geblieben, haben sie nicht auf eigenen Wegen weiter verfolgt, sondern sind – zusammengebrochen=„realistisch“ geworden.
Fallend berichtet von einigen Interviewees aus den 20ern: sie konnten oder wollten sich gar nicht mehr an die Ideen ihrer jungen Jahre erinnern.
xyz: Wenn man Reich über den Orgonomischen Funktionalismus liest, geht es ihm weniger um den Inhalt – for to begin with the consistency in our thinking is always more important than fact (OEB IV, 190). Diese Disziplin im Denken ist Reich und Ihnen (dem „Nicht-Spezialisten“) gemeinsam. Ständig haben Sie (und hatte er) mit wirren, unüberlegten und undurchdachten Einwürfen zu kämpfen – oder auch nicht (das grosse Schweigen): keiner denkt mit, es herrscht eine Todesangst vor dem logischen Denken – denn das könnte ja sehr schnell wohin führen. Wie Reich mal Anfang der 40er Jahre (in einem politischen Zusammenhang) an Neill schrieb: er fürchte und hasse seine alten „Freunde“, weil sie nichts zuende denken. Korrektes Denken ist genauso unerträglich wie ein ungepanzertes Baby: es muss „zivilisiert“ werden, d.h. (fast) buchstäblich zerstückelt werden, auf dass alle ins zusammenhanglose und folgenlose Blablabla einstimmen.