Brief [über die allerersten Anfänge des LSR-Projekts] (1977)
BERND A. LASKA, aus dem LSR-Archiv
(…) Wieder einmal vielen Dank für Euren Brief und die Anlagen. Ich will gleich etwas antworten, da das Gelesene noch frisch ist und ich dann wieder über meine leider fast zu "Pflichten" gewordenen Arbeiten gehen kann.
Den DeMarchi-Artikel finde ich in voller Länge tatsächlich besser, aber immer noch viel zu unausgearbeitet und weitgehend am Thema der Überschrift vorbeigehend. Er ist doch mehr eine Kritik am marxistischen Denken. Inwieweit eurokommunistische Theoretiker damit übereinstimmen, erfährt man nicht.
An einer Stelle zumindest - S. 3, letzter Absatz - möchte ich ganz klar widersprechen; an sich kann ich gar nicht glauben, daß das von DeMarchi ist: "daß die starre und autoritäre Struktur der sog. sozialistischen Staaten ... nur die Projektion oder der Reflex der starren und autoritären Charakterstruktur ihrer Führer sei". Zumal er weiter hinten - S.4, 3.Absatz - schreibt: "...worauf es ankomme, (sei) die Charakterstruktur der Führer wie der Massen."
Wenn er dann weiter von einer hypothetischen "psychopolitisch reifen Linken" schreibt, so spiegelt das natürlich ein Wunschdenken, denn die Linke ist nun mal so schlecht oder gut wie sie ist. Solche Formulierungen kommen bei Reich ja auch oft vor (mit "sollen" usw.). So denkt man selbst (oder besser: ich selbst) auch oft. Ich will mich aber davon lösen, da das ja nichts bringt. Alles Studieren und Nachdenken (ob mit "dialektischer Methode" oder ohne bewußte Methode) kann doch nur den Sinn haben, sein wirkliches Leben, den morgigen Tag, die Zukunft, "besser", aber hier ist ein "echtes Besser" gemeint, zu gestalten. Darauf wird man doch letzten Endes immer zurückgeworfen trotz aller geistigen Höhenflüge. Und ich finde das gut so!
Also: Bei Reich finden sich auch immer wieder Formulierungen, wie dies und das sein sollte, auch mit dem Versprechen, daß dann alles Elend und Böse beseitigt wäre, was ja alle wollen, und dieses Versprechen wird dann sogar noch wissenschaftlich fundiert; eine "Welle" übrigens, auf der auch Marx mit seiner Ökonomie nach vorn getragen wurde (so jedenfalls sehe ich das mal ganz grobgesagt).
Aber bei Reich, sowohl in Theorie als auch in der Biographie, finden sich für mich sehr viele Ansätze, mich sozusagen einerseits auf eine "Metaebene" zu begeben und andererseits mehr in der Realität verwurzelt zu sein. Das ist viel zu komplex für dieses Telegramm, aber vielleicht ahnt ihr trotzdem, was ich meine und woran ich arbeiten will, wenn ich nicht mehr Zwangsarbeit leisten muß. (…)