(...) An die Zeit, als ich Stirner entdeckte, kann ich mich gar nicht genau erinnern.
Aber ich fand, dass dies um 1980 gewesen ist.
(http://www.lsr-projekt.de/wrb/wrb.html Jg. 1979, S. 107, Rez. Helms)
Die Methode, mit der ich vorging, war wohl – im Nachhinein gesehen – eine Abwandlung der sog. Widerstandsanalyse, die ich von meiner Befassung mit Wilhelm Reich her kannte.
Aber schon Reich faszinierte mich – als junger Nichtfachmann – eben derentwegen; denn rein fachlich konnte ich gegen die allgemeine Ablehnung Reichs sowohl durch seine Kollegenschaft als auch durch die "68er"-Studenten (die ihn "entdeckt" hatten), nichts ins Feld führen.
So bin ich denn den Weg gegangen, den Sie in etwa anhand meiner Publikationen verfolgen können, von 40 bis 70 (und weiter).
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Das (der Wunsch nach akademischer Wertschätzung) war vielleicht am Anfang meines Publizierens so. Ich merkte aber schnell, wie der Hase in der akademischen Welt läuft, insbesondere an den "Re(pulsions- und De)zeptionsgeschichten" meiner Helden.
Nicht nur das. Auch in den kleinen, sektenartigen Fangemeinden von L, S und R konnte ich nicht reüssieren.
Das wusste ich aber schnell als Qualitätsmerkmal positiv für mich zu buchen, für die gelungene deutliche Formulierung meiner Ideen.
Sie kennen vielleicht meinen Begriff "Tertiärverdrängung".
Damit lässt sich fabelhaft erklären, warum "Erfolg" eigentlich ein Misserfolg wäre ;-)
Sie werden das nicht als Selbstimmunisierung verstehen.
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Als Sekundärverdrängung bezeichne ich, dass z.B. Marx-Forscher die Verdrängung Stirners durch Marx nicht beachten / verdrängen.
Mit Tertiärverdrängung meine ich, dass wiederum Marx-Forscher die Herausarbeitung der Sekundärverdrängung ihrer vorangegangenen Kollegen ignorieren (letzteres betrifft eigentlich nur meine Arbeiten, denn selbst jene, die Marx' eigentümliches Verhalten gegenüber Stirner, erfreut, verwundert oder ratlos konstatieren, sprechen nicht von Verdrängung).
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Ich nehme (Stirner) ernst, sehr ernst, aber eigentlich nur in seiner Kernidee, die er in manchen Passagen selbst konterkariert. (...) Singulär ist Stirner im 19. Jh., um zu erkennen, wann und warum die Aufklärung auf einem falschen Kurs siegreich wurde (was heute evident ist, für mich jedenfalls). Dito La Mettrie im 18., Reich im 20. Jh. (in seinem Konflikt mit Freud).
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Mein Rowohlt-Bändchen gibt einen konzisen Überblick über Reichs Leben und Gesamtwerk.
Von Reich selbst lohnt am ehesten seine "wissenschaftliche Autobiographie" "Die Funktion des Orgasmus" (seltsamer Titel, ich weiss), von der er sagt, man solle so etwas in jungen Jahren schreiben, weil man im Alter evtl. absackt, geschrieben um 1940, veröffentlicht 1969ff bei Kiepenheuer & Witsch, dann auch als Fischer-Tb. (nicht verwechseln mit Reichs Buch gleichen Titels von 1927)
Wenn Sie die Einzelheiten zur Psychoanalyse etc. nicht interessieren, oder/und wenn Sie sich (wie ich) eingestehen, den Grad der Reichschen Qualifikation nicht wirklich einschätzen und gegen das Urteil vieler Fachleute verteidigen zu können, lohnt schliesslich das detaillierte Studium des Verfahrens, mittels dessen Freud und seine Gefolgsleute und Nachfahren sich Reichs entledigten, ebenso das von deren erschliessbaren Motiven. Ich halte es da wie mit Stirner und La Mettrie: die Kernidee herauspräparieren, und ihre Bedeutung mit Hilfe der Abwehrreaktionen der Kollegen stabilisieren. (...)