(...) Montaigne habe ich auch in meinem Regal, und ab und zu lese ich in ihm. Meist kann ich ihm zustimmen, auch seinem jungen Freund La Boétie (servitude volontaire). Auch La Mettrie bezieht sich gelegentlich positiv auf Montaigne. Und Stirner hätte dies wahrscheinlich auch gekonnt.
Dennoch gibt es Gründe, um ihn nicht ins LSR-Projekt zu integrieren. Partielle Übereinstimmungen zwischen Denkern lassen sich ja in vielen Fällen finden. So sahen viele Autoren starke Gemeinsamkeiten zwischen Stirner und Nietzsche, und doch, skeptisch und genauer betrachtet, war Nietzsche – Sie kennen vielleicht meinen Artikel "Nietzsches initiale Krise" – im Grunde weder geistesverwandt mit Stirner noch dessen Plagiator, sondern sein neben Marx effektivster Antagonist. (...)
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(...) Montaigne und Nietzsche haben sicher eine Menge geschrieben, das mir gefällt, das ich unterschreiben würde. Aber an meiner Behandlung Nietzsches sehen Sie, dass ich all das als zweitrangig betrachte gegenüber dem, was er verschwiegen hat. Dasselbe Verschweigen (und eine "initiale Krise") habe ich kürzlich bei Rousseau gefunden, was mich in meiner schwierig zu verteidigenden Position sehr bestärkt hat. Reich, von dem ich mehr oder weniger bewusst diese Methode des Findens des neuralgischen Punkts ("Widerstandsanalyse") adaptiert habe, erfuhr (durch Freud et alii) im 20.Jh. das analoge Schicksal wie La Mettrie im 18. (durch Rousseau, Diderot et alii) und Stirner im 19. (durch Marx, Nietzsche et alii). Das nur in grösster Kürze. (...)
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(...) Meine Sympathie für Montaigne fußt eher darauf, dass ich hier ein frühes Bekenntnis zur Aufgabe der Selbstverwirklichung unter Sekundärstellung aller von Außen an den Einzelnen herangetragenen Forderungen (Besessenheiten bei Stirner, Verursachung von Schuldgefühlen bei La Mettrie) zu erkennen glaube. [Um Mißverstehen zu vermeiden: Laska meint nicht das Aufgeben der Selbstverwirklichung, sondern im Gegenteil die Selbstverwirklichung als Aufgabenstellung zu betrachten!] Allerdings lehnt Montaigne offenbar das Gewissen als solche nicht ab. Mir scheint, dass er eine innere Führung anstrebt, die aus sehr lebensweisen Erkenntnissen eines alten Mannes gespeist wird. Z.B. begründet er seine Bevorzugung einer sehr gradlinigen Haltung mit einer Harmonie zwischen innerer Haltung und nach außen gezeigter Fassade (negatives Wort, aber hier positiv gemeint). Siehe: Essai "Über das Bereuen": "Fest steht, daß uns selbst, tun wir das Rechte; ein, wie soll ich sagen, Glücksgefühl durchströmt und wir von jenem edlen Stolz erfaßt werden, der das gute Gewissen begleitet." (...)
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