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LaMettrie und „Die Hochzeit des Figaro“. Programmheft und dazugehörige kurze Korrespondenz

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LaMettrie und „Die Hochzeit des Figaro“. Programmheft und dazugehörige kurze Korrespondenz

BERND A. LASKA, aus dem LSR-Archiv

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Dec 22, 2022
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LaMettrie und „Die Hochzeit des Figaro“. Programmheft und dazugehörige kurze Korrespondenz

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2005 wurde Bernd Laska vom der Komischen Oper Berlin ein Programmheft zu „Die Hochzeit des Figaro“ zugeschickt. Neben diversen Texten und Photos aus der Inszenierung finden sich hier pornographische Graphiken aus der „galanten Zeit“ (18. Jahrhundert) und nicht zuletzt Auszüge aus LaMettries „Die Kunst Wollust zu empfinden“ in der Übersetzung von Laska. Der Textauszug endet mit LaMettries Satz: „Was will ich letztlich damit sagen? Dass ein Herz, das die Wollust empfindet, die ganze Natur in sich umfasst.“

Daraufhin schrieb Laska den Dramaturgen Werner Hintze per Email an: „Ich hoffe, den Text nicht zu flüchtig gelesen zu haben, wenn ich den Bezug Mozart-Lamettrie daraus nicht direkt entnehmen konnte. Andererseits meine ich irgendwo gelesen zu haben, dass tatsächlich in letzter Zeit ein biographisches Dokument zu Mozart aufgefunden wurde, das einen solchen Bezug belegt. Vermutlich hat auch deshalb die Redaktion den Text von La Mettrie mit aufgenommen. Können Sie mir in dieser Frage genaue Auskunft geben?“

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In seiner Antwort, ebenfalls per Email, verweist Hintze auf den, im Gegensatz zu Mozart, hochgebildeten Da Ponte, den Librettisten von „Die Hochzeit des Figaro“. Dazu Laskas handschriftliche Notiz auf dem Ausdruck der beiden Emails: „Anfrage bei Prof. Dieter Borchmeyer: Kein direkter Bezug Mozart-LM, aber indirekte Spuren in Da Pontes Libretto zu ‚Cosi‘. Darüber in Borchmeyers Buch ‚Mozart oder die Entdeckung der Liebe‘, Herbst 2005, Insel“

Zum Thema fand LSR Maschinenraum etwas, was ein Jahr später, 2006, in der Zeitung „Welt“ erschienen ist. „Mozart war ein Pornosoph“: Herbert Lachmayer über die rätselhaften Parallelwelten des Komponisten:

Herbert Lachmayer ist Direktor des von ihm gegründeten „Da Ponte Instituts für Librettologie, Don Juan Forschung und Sammlungsgeschichte“ in Wien. In der Ausstellung „Experiment Aufklärung“ ginge es, so Lachmayer, auf der einen Seite um „Ordnende Vernunft“ auf der anderen um das „Rebellisch-Experimentelle“ der Aufklärung. Lachmeyer: „Diese pornosophische wie radikale Aufklärung verschafft sich Erkenntnis, indem sie Tabus bricht. Hat doch La Mettrie außer ‚L'Homme machine‘ auch ein Traktat über die Verbesserung von Erregungsstrategien beim Orgasmus geschrieben.“ Dem deutschen Begriff ‚Aufklärung‘ mit seinem protestantisch-besserwisserischen Beigeschmack sollte man immer ‚éclaircissement‘ und ‚enlightenment‘ gegenüberstellen – darin kommt das Blitzhafte, buchstäblich Erleuchtende besser zum Ausdruck.“

Auf die Frage ob Mozart ein „Pornosoph“ gewesen sei, antwortet Lachmayer: „Casanova, Da Ponte und Mozart – ich nenne bewußt alle drei zusammen – sind auf ihre Weise rabiate Verwegenheitstypen gewesen. Da Ponte und Casanova waren professionelle Verführer – sie haben die Affekt-Modulation ihrer Zeit recht kreativ beherrscht. Um sozial zu bestehen, mußte man eben gebildet sein, in mehreren Sprachen Konversation machen können. Die Dame hat mit Mineralogie begonnen, der Herr hat auf Geographie umgelenkt, dann kamen Poesie und Politik, die Ambiguitäten wurden zahlreicher – schließlich waren sie im Bett. Sexualität war eine erweiterte Kommunikationsform. Es waren Erregungsstrategien mit Perspektive, es gab eine ‚schamlose Schamgesellschaft‘, und noch nicht die bis heute so indulgente ‚Schuldgesellschaft‘ mit viel Über-Ich. Wenn man die Regeln beherrscht hat, war man mit dabei – Galanterie war Überlebensstrategie bei Hofe.“

Kommentar von LSR Maschinenraum: Auf diese Weise wird LSR banalisiert und ins Gegenteil verkehrt. „Pornosophie“ ist sexualisiertes Denken, verkopfte Sexualität, d.h. das genaue Gegenteil des Verschmelzens mit der Natur, wie es LaMettrie beschreibt bzw. der „Gedankenlosigkeit“ bzw. „Gedankenfreiheit“, die sowohl Stirner als auch Reich zufolge den Menschen frei macht. Stirner in „Der Einzige und sein Eigentum“: „Aber die ungeheure Bedeutung des gedankenlosen Jauchzens konnte in der langen Nacht des Denkens und Glaubens nicht erkannt werden.“

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