Laskas Quellen für die „Jahrtausendentdeckung“ in MASSENPSYCHOLOGIE DES FASCHISMUS und DIE SEXUELLE REVOLUTION
In seinem Exemplar der 1946 von Reich revidierten Ausgabe von Massenpsychologie des Faschismus (Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1971, S. 189) hat Laska das folgende am Rande doppelt angestrichen und dazu vermerkt: „176 / 1933: S. 245“.
"Ihre 'Moral' schafft erst dasjenige Triebleben, zu dessen sittlicher Beherrschung sie sich berufen ausgibt; und der Wegfall dieser Moral ist die Vorbedingung des Wegfalls der Unmoral, die zu beseitigen sie sich vergeblich bemüht." (Hervorhebung von Reich)
Die Seitenzahl zu 1933 bezieht sich auf das Erscheinungsjahr der unrevidierten Originalausgabe von Massenpsychologie des Faschismus. In der von Andreas Peglau veranstalteten Neuausgabe von 2020 findet sich die Stelle auf S. 170f. Hier heißt es: "(…) sie vergeblich sich bemüht (…)“
Auf S. 176 seiner Ausgabe von 1971 hat Laska folgendes unterstrichen. Laska fügt an: "siehe auch SR [Die Sexuelle Revolution] S. 50".
"Dazu kommt die Rechtfertigung des Abscheus vor dem Geschlechtsverkehr durch die tatsächliche Verrohung des Liebeslebens beim heutigen Menschen. Dieses verrohte Liebesleben gilt dann als Vorbild des Liebeslebens überhaupt. Die Zwangsmoral schafft also genau das, worauf sie sich dann zur Rechtfertigung ihres Bestandes ('das Sexuelle ist asozial') beruft." (Unterstreichungen von Reich)
Im Original von 1933 ist das S. 224f, bei Peglau 2020 S. 157. Dort heißt es "(…) beim bürgerlichen Menschen (…)", "(…) Die Moral schafft also (…)", außerdem fehlen im Original die Hervorhebungen durch Reich.
Auf der von Laska genannten S. 50 von Die sexuelle Revolution (Frankfurt: Europäische Verlagsanstalt, 1966 = Manuskript des der amerikanischen Übersetzung von 1945 zugrundeliegenden revidierten Textes von Die Sexualität im Kulturkampf, Kopenhagen: Sexpol-Verlag, 1936) findet sich von Laska am Rande angestrichen und unterstrichen:
"(…), daß die moralische Regulierung des Trieblebens gerade das schafft, was sie bändigen zu können vorgibt: das asoziale Triebleben." (1936, S. 17; Ursprünglich erschien dieser 1932 verfaßte Text im Aufsatz "Ein Widerspruch der Freudschen Verdrängungslehre" in Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie Bd. 1, 194, Heft 2., 115-125 [125].)
Laska hat "moralische" zusätzlich unterkringelt mit dem Verweis auf S. 52f des gleichen Buches (von Laska unterstrichener Text, wobei „zwangs…“ nochmals rot von Laska unterstrichen wurde):
"Ist also die Moral notwendig? Ja, insofern Triebe in der Tat das gesellschaftliche Zusammenleben bedrohen. Wie ist es dann möglich, die zwangsmoralische Regulierung abzuschaffen. (…) Die moralische Regulierung der natürlichen biologischen [1936: vegetativen] Ansprüche der Menschen erzeugt durch Unterdrückung, Nichtbefriedigung usw. sekundäre, krankhafte, asoziale Triebe; diese müssen dann notwendigerweise gebremst werden. (…) Die Berechtigung ihrer Existenz erhielt die zwangsmoralische [1936: moralische] Regulierung in dem Augenblick, als das, was sie erzeugt hatte, das gesellschaftliche Leben tatsächlich zu gefährden begann. (…) Wenn wir also die Frage diskutieren, ob die Moral notwendig oder ob sie abzuschaffen sei (…) kommen wir keinen Schritt weiter, wenn wir nicht die natürlichen biologischen Triebe von den sekundären, durch die Moral erzeugten antisozialen Trieben unterscheiden." (Hervorhebungen von Reich, 1936, S. 18f))
Außerdem verweist Laska auf S. 50 von Die sexuelle Revolution auf die zitierten S. 176 und 189 von Massenpsychologie des Faschismus und auf S. 59 von Die sexuelle Revolution, wo zu lesen ist
"Es gibt also zweierlei 'Moral', aber nur eine Art moralischer Regulierung. Diejenige 'Moral', die alle Menschen mit Selbstverständlichkeit bejahen (nicht vergewaltigen, nicht morden usw.), ist nur aufgrund vollster Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse herzustellen. Doch die andere 'Moral', die wir verneinen (Askese für Kinder und Jugendliche, absolute ewige Treue, Zwangsehe [1936: nur kirchliche Ehe] usw.), ist selbst krankhaft und erzeugt das Chaos, zu dessen Bewältigung sie sich berufen glaubt. Ihr gilt unser unerbittlicher Kampf." (1936, S. 24)
Dies ist bis auf die angegebenen Ausnahmen jeweils identisch mit der Ausgabe von Die Sexualität im Kulturkampf, 1936.
Außerdem findet sich S. 50 Die sexuelle Revolution folgender von Laska eingefügter und verfaßter Notizzettel:
Bernfeld 1925
"Die Pädagogik verhindert die Zukunft, die sie verspricht."
zit.n. Blankertz, 302
<-- vgl. -->
WR später
Moral erzeugt die Triebe, die zu bekämpfen sie antritt.
WR radikaler? (Bernfeld Kontext suchen)
[Anmerkung LSR-Maschinenraum: Der Kontext zeigt, daß Bernfeld zufolge Kinder auch nur vorbildliche Erwachsene nachäffen sollten. Hier der Anfang von Ingrid Lohmanns Aufsatz „Erziehungswissenschaft und die Kommerzialisierung von Bildung“ (2001):
"Die Pädagogik verhindert die Zukunft, die sie verspricht – so lautet der Vorwurf, den Siegfried Bernfeld vor einem Dreivierteljahrhundert erhob. Seiner Auffassung nach vertiefte die Pädagogik die bestehende soziale Kluft zwischen Arbeiterklasse und Bürgertum und verhalf bloß diesem dazu, die wahren gesellschaftlichen Machtverhältnisse mittels Bildung und Erziehung zu verschleiern. Bernfelds Hoffnung war, daß eine auf Marx' Gesellschaftstheorie und Freuds Psychoanalyse gegründete Verwissenschaftlichung des Faches, bei gleichzeitig streng empirischer Orientierung, eine Erziehungswissenschaft hervorbrächte, die den Namen verdiente – und das hieß für ihn vor allem: eine Wissenschaft für eine sozialistische Gesellschaft, frei von Ausbeutung und Entfremdung, Machtgier und sozialer Ungleichheit. Daß Erziehungswissenschaft dann noch erforderlich wäre, erschien ihm allerdings fraglich: Vielleicht würden in einer solchen idealen Gesellschaft die Kinder 'durch Identifikation auf alle Fälle Gerechte' (Bernfeld 1925/ 1971, S. 11, 156; vgl. Lohmann 2001b). Insofern hatte auch die von Bernfeld angestrebte wissenschaftliche Pädagogik für die Zukunft der Gesellschaft nur transitorische Bedeutung.
Heute teilen viele Bernfelds Verdacht gegenüber der Pädagogik, 'ungeheueren Aufwand an Kraft, Zeit, Geld, an Kinderglück und Elternsorge sinnlos zu vertun' (Bernfeld 1925/ 1971, S. 11). Politik und Wirtschaft, ja die Gesellschaft selbst, so scheint es, sind ihrer überdrüssig: Heute sollen andere Wege in eine bessere Zukunft beschritten werden als sie es vorsieht. (…)"]