Laskas Randnotizen zu Hans G. Helms‘ DIE IDEOLOGIE DER ANONYMEN GESELLSCHAFT (Teil 15)
BERND A. LASKA, aus dem LSR-Archiv
IV Hohlformen und Herrschaftsformen des Vereins, Abschnitte 3 bis 5 (alle Hervorhebungen von Laska)
Helms: „Es ist ein historisches Faktum, daß Marxens Lehre so manipuliert werden kann, daß Gesellschaft und Staat, Staat und Gesamtkapitalist wie notwendig erscheinen, daß somit zwischen Privat- und Staatskapitalismus nur ein organisationstechnischer Unterschied besteht und die einzelnen Gesellschaftsglieder in beiden Organisationsformen von einem ‚Dritten‘, dem Kapital, beherrscht werden, doch ist das weder in Marxens Absicht gelegen noch seiner Theorie, soweit sie nicht manipuliert* wird, inhärent. Marx hatte es auf Beseitigung der Eigentumsverhältnisse abgesehen und nicht auf deren Modifikation.“ Laska: *1) alle marx. Praxis ist staatskap. 2) Helms manipuliert Stirners Lehre in extremer Weise
„Wenn (…) Stirners unumwundener Applaus fürs kapitalistische System von Marx und Engels interpretatorisch untertrieben wird, möchte ich das für ein taktisches understatement ansehen.“
Helms spricht davon, daß Bernstein die Deutsche Ideologie, die ohnehin nicht rechtzeitig veröffentlicht wurde, durch seine „verharmlosende Auswahl und Randbemerkungen“ revidiert. „Mein Buch möge das nachholen.“ Laska: großer Anspruch
„Wenn Adolf Eichmann Stirner gelesen hat, wird er sich gesagt haben: über das, was ich als durchschnittlicher SS-Offizier leiste, kann Himmler mich zwar nach Tarif entlohnen, aber für das, was ich als einzigartiger Endlöser der Judenfrage leiste, ist kein Ehrensold und Eichenlaub genug.“ Laska: oh guter Gott
„Vergessen hat [Günther] Anders wie wirklich alle, die sich bisher der Mühe unterzogen haben, den Wirkungszusammenhang der Stirner’schen Ideologie zu überprüfen, die autoritären Übersetzungsmöglichkeiten des ideologischen Selbstbewußtseins in die Praxis der kapitalistischen Gesellschaft.“
Zum Abschnitt „5 Liebesbeziehungen, leibhafter Konsum“ schreibt Laska: übelste Sinnentstellungsversuche. Was Stirner über die Liebe schreibt, übersetzt Helms in Begriffe wie „Bordell“ und „Freier“, was verwaltet werden muß. Es ist auch von Syphilis die Rede. Max Stirner sei „ein verklemmter Sexualmörder“! Den daran anschließenden Satz kann Laska nur mit einem Fragezeichen quittieren: „Das Dämchen hat zwei Möglichkeiten: entweder sie läßt sich von Stirners Syphilis langsam zerfressen, oder sie geht zum Gesundheitsamt, womit das Ziel auch erreicht wäre.“ Und weiter: „Max hat sie gewarnt: ‚die Liebe ist kein Gebot‘. Es ist ratsam, zu Liebesempfindungen nicht fähig zu sein.“ [unterkringelt] Dazu Laska: Gegenteil von Stirner. Ebenfalls unterkringelt: „Wäre Prostitution nicht das älteste Gewerbe der Welt, Stirner hätte sie schier erfunden.“ Und mit einem „Quatsch“ goutiert Laska: „Theoretisch wäre das Ideal der kapitalistischen Gesellschaft ein Volk von Onanisten.“
Explizit (Laska: von wem?) oder implizit seien Stirners Sätze wie „Ich benutze die Welt und die Menschen“ damit entschuldigt worden (Laska: nicht nötig), sie seien ohnmächtiger Ausdruck der damaligen Verhältnisse im Kapitalismus. Er, Helms, wolle nicht bestreiten, daß Stirners Ausgangspunkt dessen Ohnmacht gewesen sei. Dazu Laska: Wer war das nicht? Marx? Hitler war nicht ohnmächtig (u. Helms = Stirner)
Helms zitiert Stirner: „Wie Wir im Baum, im Thiere nicht Unsersgleichen erblicken, so entspringt die Voraussetzung, daß die Andern Unsersgleichen seien, aus einer Heuchelei.“
Helms zitiert James Gibbons Huneker: „Nachdem der grimmige, grausame Stirner einen Stich gegen seinen Gegner geführt hat, dreht er das Messer in der Wunde hin und her. Hat er mit sich kein Mitleid, hat er auch kein Mitleid mit anderen.“ Und Helms fährt fort: „Stirner-fan Huneker hat seinen Meister [Laska: nicht] kapiert.“ Laska verweist auf folgende Stelle in Der Einzige und sein Eigentum: „Ich liebe die Menschen auch, nicht bloß einzelne, sondern jeden. Aber Ich liebe sie mit dem Bewußtsein des Egoismus; Ich liebe sie, weil die Liebe Mich glücklich macht, Ich liebe, weil Mir das Lieben natürlich ist, weil Mir's gefällt. Ich kenne kein ‚Gebot der Liebe‘. Ich habe Mitgefühl mit jedem fühlenden Wesen, und ihre Qual quält, ihre Erquickung erquickt auch Mich: töten kann Ich sie, martern nicht. Dagegen sinnt der hochherzige, tugendhafte Philisterfürst Rudolf in den Mysterien von Paris, weil ihn die Bösen ‚entrüsten‘, auf ihre Marter“ (reclam S. 324). Helms hingegen schließt den entsprechenden Absatz seiner Ausführungen: „Entmenschter kann die Welt nicht vorgestellt werden.“
Mit „blödest“ und „allerblödest“ kommentiert Laska Helms Auslassungen über den modernen Kapitalismus: „das Volk der Einzigen“ gelte es vor ungesunden materiellen Genüssen zu schützen, immaterielle bekämen besser. „Sie schützen das Kapital zudem vor unvernünftigen Gehaltsforderungen.“ Das ganze schließt mit dem Satz: „Die letzte Ejakulation im Todeskampf ist der Verwaltung bei weitem die liebste.“