Leserbrief: „Deformation“ in Freiheit (Bernd Nitzschke: Psychoanalyse und Macht. In: Psychologie heute, Heft 10/89)
BERND A. LASKA, aus dem LSR-Archiv
Nitzschke stellt zu Recht fest, daß die „oft so plakativ vorgetragene These vom Verbot der Psychoanalyse im Dritten Reich“ erheblich abgeschwächt werden müßte. Er fragt aber leider nur oberflächlich, warum sie aufgestellt wurde, und gar nicht, warum sie so lange unangetastet blieb, also nicht nur für die damals „Verstrickten“ sehr bequem zu sein scheint, so bequem, wie überhaupt der landläufige Antifaschismus „aller Demokraten“. Es ist gewiß auch verdienstvoll, wenn Nitzschke den „Deformationsprozeß“ innerhalb der Psychoanalyse im NS-Deutschland etwas erhellt. Aber dieser war für die Entwicklung der gesamten Bewegung kaum von Bedeutung. Ihr eigentlicher, historisch wirksam gewordender „Deformationsprozeß“ vollzog sich nicht unter diktatorischem Zwang, sondern in der Freiheit der Demokratien, und er begann schon einige Jahre vor 1933. Dies ist das Thema, das zumindest für „Aufklärer“ nicht Tabu, sondern Herausforderung sein sollte.